Russlands erfolgreiche militärtechnische Revolution

Russlands erfolgreiche militärtechnische Revolution

von Rainer Rupp

erschienen am 26.April und 27.April 2025 auf RT de


Früher oder später wird auch bei den US-Politikern und ihren EU-Vasallen die Erkenntnis durchsickern, dass trotz des gigantischen US-Militärapparats die Vereinigten Staaten gegenüber Russland ihre militärische Überlegenheit bereits verloren haben und dabei sind, diese auch gegenüber China zu verlieren.

In den letzten Jahren haben die Amerikaner in allen offiziellen US-Simulationen eines in Osteuropa ausgetragenen nicht nuklearen Krieges gegen Russland (siehe z. B. RAND) binnen kürzester Zeit nach dem Ausbruch eine vernichtende Niederlage erlitten. Selbst unter günstigsten Annahmen für die eigene Seite, z. B. haben die Amerikaner in einigen Simulationen mit fiktiven hochmodernen Waffen gekämpft, also mit Waffen, die erst im Planungsstadium sind, deren Fähigkeiten den US-Streitkräften aber erst in vielen Jahren – wenn überhaupt – zur Verfügung stehen werden.

So sahen das Ergebnis der Kriegssimulationen und die Einschätzung des Kräftegleichgewichts zwischen den USA und der NATO auf der einen sowie Russland auf der anderen Seite durch US-Experten mit Stand vom Jahresende 2020 aus. Das aber heißt, dass der eigentliche Paradigmenwechsel, nämlich die bis dahin weitgehend streng geheim gehaltenen Ergebnisse der russischen militärtechnischen Revolution (MTR), noch gar nicht in die US-Kriegssimulationen eingerechnet worden sind. Gerüchte und einzelne Hinweise in russischen Publikationen über bahnbrechende Durchbrüche auf militärtechnischem Gebiet wurden von westlicher Seite mit gewohnter Arroganz als russisches Wunschdenken belächelt.

Erst in den letzten drei Jahren bekam der Westen im Rahmen der russischen Sonderoperation in der Ukraine eine Idee von den bahnbrechenden und atemberaubenden technologischen Durchbrüchen russischer Wissenschaftler und Forscher, dank deren Erfolgen die Streitkräfte der Russischen Föderation inzwischen eine ganze Bandbreite einsatzbereiter neuer Waffen in ihre Kampfformationen eingeführt haben. Diese Waffen, die sich in Bezug auf russische Taktik und Strategie ideal ergänzen, wurden in den letzten Jahren vielfach unter realen Bedingungen erfolgreich getestet. Weitere Waffensysteme stehen kurz vor der Vollendung, und womöglich haben wir bisher nur die Spitze des Eisberges gesehen.

Wie konnte sich das militärtechnische Gleichgewicht zwischen dem am Boden liegend geglaubten Russland, das von westlichen Politikern überheblich als „Tankstelle mit Raketen“ verspottet wurde, und den allmächtig geglaubten USA so radikal verändern? Die Basis dafür wurde bereits in der Sowjetunion geschaffen. Damals gab es in der UdSSR doppelt so viele Mathematiker und Naturwissenschaftler als in den USA und der NATO zusammen. Sehr viele von diesen Wissenschaftlern arbeiteten in der Grundlagenforschung, auch in der militärischen, wo sie die Grenzen des Wissens erweiterten. Viele ihrer Forschungsergebnisse konnten jedoch damals nicht in die Praxis umgesetzt werden, weil die dazu notwendigen miniaturisierten Werkzeuge fehlten. So konnte man z. B. keinen extrem teuren Supercomputer von der Größe eines Kleinwagens in eine Raketenspitze einbauen.

Dennoch waren die Forschungsergebnisse der sowjetischen Wissenschaftler nicht verloren. Allerdings landeten sie erst einmal als Blaupausen in den Schubladen streng gesicherter Panzerschränke, wo sie nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 fast vergessen wurden. Erst im Jahr 2007 fing man an, sich wieder an die Blaupausen zu erinnern. Auslöser dafür war die provokative und sogar gehässige Reaktion des kollektiven Westens auf die Rede von Präsident Putin anlässlich der sogenannten Münchner „Sicherheitskonferenz“.

Putin hatte tatsächlich die „Unverschämtheit“ besessen, die „friedliebende“ NATO und deren Expansion an die Grenzen Russlands, einschließlich der bereits diskutierten Aufnahme der Ukraine und Georgiens in die NATO, als nicht akzeptable Bedrohung russischer Sicherheitsinteressen zu kritisieren, und erklärt, dass Russland entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen müsse. Vom Westen wurde Putin verlacht und als jemand dargestellt, der der Sowjetunion nachtrauere und eine Neuauflage des Kalten Kriegs anstrebe.

Die Russen haben ihre Lehren daraus gezogen und begonnen, die Reste der Roten Armee neu zu organisieren und wiederaufzubauen, und zwar unter Berücksichtigung der inzwischen gemachten technologischen Fortschritte, insbesondere im Bereich der Mikroelektronik und der Chips. Mit deren Hilfe konnte jetzt die Leistung eines Supercomputers Ende der 1980er Jahre mit dem Volumen eines Kleinwagens auf ein Gerät von der Größe eines Schuhkartons reduziert werden, wobei die Kosten für diese kleinen technologischen Wunderwerke nur noch einen winzigen Bruchteil der früheren ausmachten. Jetzt hatte man die kostengünstigen, kleinen Werkzeuge zur Realisierung der technischen Blaupausen, die in den Panzerschränken auf ihre Verwirklichung gewartet hatten.

Diese russischen Waffen bestehen z. B. aus einer ganzen Palette von Hyperschallraketen mit unterschiedlichen Techniken, von denen einige, wie die neue Interkontinentalrakete Awangard (Авангард), Geschwindigkeiten von 20.000 Stundenkilometern erreichen. Diese neuen Waffen sind einzigartig auf der Welt. Selbst die USA haben nichts dergleichen und liegen in der Entwicklung um Generationen zurück. Gegen diese Waffen gibt es keine Verteidigung, und es wird auch auf unabsehbare Zeit keine geben, denn diese Waffen sind nicht nur unglaublich schnell. Etliche dieser Raketen haben auch noch eine andere einzigartige Fähigkeit: Sie bewegen sich nicht starr auf einer berechenbaren ballistischen Kurve. Vielmehr können sie blitzschnell die Höhe ändern oder seitlich ausweichen, was die gegnerische Raketenabwehr vor unlösbare Aufgaben stellt.

Zusätzlich sind Russlands neue Raketen extrem treffsicher, und sie sind auch gegen elektronische Störmanöver gesichert. Eine Salve von Kinshal-Raketen, die z. B. im Schwarzen Meer abgeschossen wird, könnte in wenigen Minuten im östlichen Mittelmehr eine ganze US-Flugzeugträger-Angriffsgruppe mit einem Dutzend großer Schiffe versenken. Das ist auch deshalb möglich, weil die Raketen in der Endphase miteinander kommunizieren und sich abstimmen, damit nicht alle Raketen dasselbe Schiff treffen, sondern möglichst viele Ziele zerstört werden.

Mit der Kalibr (Калибр), eine andere, billige russische Rakete, können sowohl See- als auch tief verbunkerte Landziele zerstört werden. Bei der Kalibr handelt es sich um einen Marschflugkörper mit einer Reichweite von 1500 Kilometern, der von U-Booten und sogar von kleinen Flussschiffen abgefeuert werden kann.

Über Feindesland fliegt die Kalibr-Rakete unter Radarhöhe mit Unterschallgeschwindigkeit, wobei sie dem Terrain folgt und ständig Kursänderungen vornimmt. In der Nähe ihres Ziels beschleunigt die Rakete auf mehrfache Schallgeschwindigkeit, wobei sie – im Gegensatz zur üblichen linearen Flugbahn anderer Marschflugkörper – defensive Hochgeschwindigkeitsmanöver mit sehr großem Winkel durchführen kann. Mit anderen Worten, die Rakete ist mit keiner aktuell oder in absehbarer Zeit vorhandenen Technik abzuwehren.

Für Rüstung geben die USA und NATO-Europa fast 15-mal mehr aus als Russland. Aber Russland kann mehr Waffen produzieren als die ganze NATO zusammen, darunter Hightech-Waffen, von denen der kollektive Westen nur träumen kann.

Diese neue Art russischer Raketen hat die traditionell als gegeben angenommene US/NATO-Luftüberlegenheit irrelevant gemacht. Denn damit sind die Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentren der USA und der NATO wie z. B. die US-Basis Ramstein in Rheinland-Pfalz oder das US-Atomwaffenlager am Flughafen Büchel in der Eifel völlig schutzlos. Die sagenumwobene neue russische Rakete „Oreschnik“ lässt grüßen. Gleiches gilt für die NATO-Logistikzentren, Hafenanlagen und Brücken, über die der NATO-Nachschub gegen Russland laufen würde.

Auch die Schiffskonvois, die militärischen Nachschub aus den USA über den Atlantik bringen sollen, sind gegen die neuen russischen Raketen wehrlos. Die speziell für den Schutz solcher Geleitzüge entwickelten 68 US-Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse sind aufgrund der neuen russischen Hyperschall-Raketen plötzlich veraltet. Zwar sind die Zerstörer mit hochmodernen Zielerfassungssystemen und Batterien von Anti-Raketen ausgerüstet, um ballistische Raketen oder tief, aber linear anfliegende Anti-Schiff-Marschflugkörper abzuschießen, aber gegen die neuen russischen Raketen, die sich im Zickzack-Kurs und mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit auf ihr Ziel stürzen, können sie nichts ausrichten.

Zugleich wird das Operationsfeld der US/NATO-Luftwaffen in Richtung Osten aufgrund der Indienststellung bahnbrechender Entwicklungen in der russischen Flugabwehrtechnik sowie modernster Abfangjäger extrem eingeengt. Im Ernstfall müssten die arroganten US/NATO-Strategen ihren Irrglauben von der unangefochtenen eigenen Luftüberlegenheit schnell revidieren. Über Syrien z. B. hatten die israelischen und US/NATO-Piloten bereits größten Respekt vor dem alten russischen Flugabwehrsystem vom Typ S300 und wagten sich nicht in dessen Feuerbereich. Inzwischen sind in Russland aber schon in großer Zahl die S400-Flugabwehrsysteme in die Streitkräfte eingeführt worden. Das S400-System ist seinem Vorgänger S300 um einen technologischen Quantensprung überlegen.

Gleiches gilt für die S500, die angeblich bereits einsatzfähig ist. All diese Verbesserungen werden ergänztdurch modernste Methoden der elektronischen Abwehr, die den Gegner auf dem Schlachtfeld „blind“ machen. Im Ernstfall werden damit Russlands Grenzen und zu schützende kritische Objekte für westliche Kampfpiloten zur Todeszone.

Russland hat inzwischen erreicht, was Verteidigungsminister Schoigu vor etlichen Jahren so beschrieben hat:

„Wir brauchen keine Flugzeugträger, sondern etwas, mit dem man Flugzeugträger versenkt.“

Bedenkt man, dass Waffen wie Kinshal und Kalibr einen 13 Milliarden Dollar teuren US-Flugzeugträger der Nimitz-Klasse versenken können, die selbst aber nur einen winzigen Bruchteil davon kosten, dann kann man zu Recht von einer militärtechnischen Revolution sprechen. Diese Raketen sind in der Sonderoperation in der Ukraine bereits vielfach eingesetzt worden und haben sich als sehr verlässlich erwiesen und sind auch für den Ernstfall gegen NATO-Länder in ausreichender Zahl vorhanden.

Im Fall der Kinshal kann die Reichweite mithilfe des Überschall-Trägerflugzeuges MiG 31 bis tief in den Nordatlantik erweitert werden, was die US-Flugzeugträger im Ernstfall auf Distanz halten würde, wenn sie nicht ihre Versenkung riskieren wollen. „Diese Rakete wird im Flug ausgeklinkt und steigt dann auf eine Höhe von 18 bis 20 Kilometern. Dabei soll sie zehnfache Überschallgeschwindigkeit erreichen und würde ihr Ziel binnen weniger Minuten treffen. Das überfordert die heutige Raketenabwehr aller NATO-Staaten“, sorgte sich jüngst die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Das wirft nicht nur die Kampfstrategien der US-Kriegsmarine vollkommen über den Haufen. In deren Zentrum hatten immer die Flugzeugträger-Angriffsgruppen als schwimmende Luftwaffenbasen gestanden. Jeder Träger der Nimitz-Klasse führt z. B. 80 Kampfflugzeuge mit sich, davon 52 Kampfbomber. Aber nun kann eine Salve von einem Dutzend billiger Kinshal-Raketen mit einem Schlag alle großen Schiffe der Angriffsgruppe vernichten oder zumindest kampfunfähig machen.

Auch im US-Armee-Kommando Europa, ebenso wie bei den verbündeten NATO-Armeen, hat man inzwischen begriffen, dass Präsident Wladimir Putins Warnung in seiner Rede vom 28. März 2018, nämlich Russland nicht weiter in die Enge zu treiben, weil man sonst gezwungen sei, revolutionäre neue Waffensysteme in die Streitkräfte einzuführen, kein Bluff war.

Die neuen russischen Waffen haben auch eine Wirkung auf die Kampfstrategie der US-Armee, die ebenso wie ihre NATO-Verbündeten im Ernstfall immer davon ausgegangen ist, dass ihre Kommando-, Kontroll- und Kommunikationszentren gut gegen Luft- und Raketenangriffe geschützt und der Nachschub aus den USA und die Verbindungswege in Europa gesichert seien. Die Erkenntnis, dass all diese Ziele gegen die billigen russischen Raketen nicht zu verteidigen sind, muss für die Generäle ein Schock gewesen sein.

Laut der bereits oben erwähnten FAZ hatte sich der damalige NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch, dem 12. Februar 2020, anlässlich des Treffens der NATO-Verteidigungsminister im Brüsseler Hauptquartier „sehr besorgt über die neuen russischen Raketensysteme“ gezeigt. Vor allem sorgte sich Stoltenberg laut FAZ wegen der neuen Hyperschallwaffen und stellte die Frage, „wie die Allianz angesichts dieser Bedrohungen eine glaubwürdige Verteidigung aufrechterhalten kann“.

Anlässlich der Streitkräfte-Messe 2021 in Moskau sagte Präsident Putin am 23. August 2021, dass Russland die technologische Vorherrschaft in einer Reihe von Bereichen der Militärtechnologie erreicht habe:

„Viele dieser Waffen haben anderswo auf der Welt keine Analogien in Bezug auf ihre taktischen und technischen Eigenschaften … Und nach dem, was wir sehen, kann man fest sagen: Sie (der Westen) werden sie für eine lange Zeit nicht haben.“

Schlussfolgerung:

Von den verbohrten russenfeindlichen US/NATO-Eliten, die immer noch von ihrer westlichen Überlegenheit überzeugt sind und sogar öffentlich mit Gedanken spielen, ein bisschen Atomkrieg zu wagen, kann man keine Vernunft erwarten. Aber die Masse der Bevölkerung, die das erste Opfer eines jeden Krieges ist, müsste doch angesichts dieser Fakten erkennen, dass die beste Verteidigung Deutschlands und Europas weder in einem weiteren Vorrücken an die russischen Grenzen noch in einer enorm teuren und kaum erreichbaren „Kriegstüchtigkeit“ besteht. Die beste Verteidigung Deutschlands besteht in guten Beziehungen zu Moskau und Frieden mit Russland.

Die gute Nachricht ist, dass Russland, aber auch China gegen einen militärischen Angriff der USA oder der Nordatlantischen Terrororganisation (NATO) heute weitaus besser geschützt sind als noch vor fünf Jahren. Die Verschiebung der Korrelation der militärischen Fähigkeiten zugunsten Russlands zeigt auch, warum weder die USA noch EU-NATO-Europa in einer Position sind, Russland zu drohen oder in der Ukraine-Frage von Russland Kompromisse zu erzwingen.

Zu den guten Nachrichten gehört auch, dass der Niedergang des Neoliberalismus und der „regelbasierten internationalen Ordnung“ der westlichen Unwertegemeinschaft nicht mehr aufgehalten werden kann.

Die schlechte Nachricht ist, dass es keinen Lichtblick für unser Land gibt. Egal auf welche Politikbereiche man in Deutschland oder in der EU oder ganz allgemein im Wertewesten blickt, überall zeigt sich erschreckende Dummheit gepaart mit der unausstehlichen Arroganz von Menschen, die sich selbst als moralisch höherstehend begreifen.

Wer glaubt, dass die Volksvertreter das Volk vertreten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.