Die anhaltenden Mysterien hinter dem Manchester-Attentat

Die anhaltenden Mysterien hinter dem Manchester-Attentat

erschienen am 31.Mai, 3., 4. und 6.Juni 2017 via RT deutsch und KenFM


Kurz vor der Unterhauswahl in Großbritannien bringt das Attentat von Manchester die als sichere Siegerin erscheinende Theresa May in Erklärungsnot. Nicht ein Einzeltäter, sondern eine aus dem Ruder gelaufene ganze Gruppe „moderater Rebellen“ ist verdächtig.

Meinung – von Rainer Rupp.

Terrorgruppe statt “einsamer Wolf”

In jüngster Zeit waren bei fast allen Terrorangriffen in Europa – ob in Frankreich und Belgien oder auf dem Berliner Weihnachtsmarkt – die Täter nicht nur so genannte einsame Wölfe, sondern in aller Regel schon lange vor der Tat den Sicherheits- und Geheimdiensten bekannt. Auch der Anschlag in Manchester am 25. Mai folgte diesem Schema. Diesmal ging das Kalkül jedoch nicht auf, den Selbstmordattentäter als Einzeltäter darzustellen und den Fall möglichst zügig abzuschließen.

Bereits kurz nach dem Anschlag in Manchester berichtete die britische Tageszeitung The Telegraph, dass der inzwischen als Salman Abedi identifizierte, 22 Jahre alte, in Manchester wohnhafte Selbstmordattentäter „den Sicherheitsdiensten bekannt und vermutlich erst vor einer Woche aus Libyen zurückgekehrt war“.

Allerdings versuchten die ersten offiziellen Darstellungen der britischen Regierung und auch entsprechende Medienberichte die bei solchen Attentaten übliche Geschichte vom „einsamen Wolf“ Abedi aufzubauen. Dieser habe als Einzeltäter die Bombe selbst gebaut und das Attentat ganz allein organisiert. Der Versuch, mittels dieses Narrativs von dem in Großbritannien und vor allem in Manchester existierenden, verdeckten Netzwerk der Libysch-Islamischen Kampfgruppe (LIFG) abzulenken, war mit den Händen zu greifen.

Tatsächlich aber stellte sich bereits wenige Tage nach dem Anschlag heraus, dass der junge Attentäter Abedi samt etlichen seiner Familienmitglieder, einschließlich seines Vaters, integraler Bestandteil dieser Gruppe gewaltbereiter islamischer Extremisten war. Deren Mitglieder wohnen zum Teil bereits seit Jahrzehnten im Vereinigten Königreich, vor allem in und um Manchester. Allerdings waren sie in Großbritannien bis dahin noch nicht wegen islamistischer Gewalttaten auffällig geworden.

Ein Leck in den Reihen des US-Geheimdienstes

Allerdings ist der Versuch der britischen Regierung und ihrer Geheimdienste, die Öffentlichkeit mit der Einzeltäter-Legende irrezuführen, diesmal bereits im Ansatz gescheitert. Der Grund hierfür war ein Leck in den befreundeten US-amerikanischen Geheimdiensten. Britische Nachrichtendienst-Mitarbeiter hatten ihre US-amerikanischen Kollegen über die als „streng geheim“ eingestuften, technischen Details des Abedi-Attentats informiert. Prompt nahmen, als es gerade der ungünstigste Zeitpunkt war, diese Geheiminformationen über das Leck in den US-Diensten zeitnah ihren Weg in die Medien und in die breite Öffentlichkeit.

Da die an die Medien durchgestochenen Informationen auch technische Details über die Zusammensetzung der Manchester-Bombe, des verwendeten Sprengstoffs und über andere Einzelheiten des Angriffs enthielten, war schnell klar, dass es sich bei Abedi nicht um einen „einsamen Wolf“ gehandelt haben konnte. Im Gegenteil: Die Details des Angriffs von Manchester machten deutlich, dass es eine Operation gewesen war, die entweder von jemandem durchgeführt worden sein musste, der militärische Erfahrungen in einer terroristischen Organisation erworben hatte oder aber von jemandem, den eine terroristische Organisation mit umfangreicher Erfahrung dabei angeleitet hatte.

May kann den Deckel nicht länger draufhalten

Die britische Premierministerin Theresa May machte daraufhin gar nicht erst den Versuch, bei ihrer Begegnung mit US-Präsident Trump anlässlich dessen Europa-Besuchs letzte Woche ihren Ärger über die undichte Stelle im US-Sicherheitsapparat zu verstecken. Trump reagierte sofort und ordnete noch von Europa aus die Suche nach der undichten Stelle an.

Die Wut von Premierministerin May ist nachvollziehbar. Da sich die Mär vom Einzeltäter Abedi nicht mehr aufrechterhalten ließ, musste Frau May damit rechnen, dass nun das in Großbritannien mit Wissen der Regierung existierende Netzwerk gewaltbereiter islamistischer Extremisten ins Visier der normalen polizeilichen Ermittlungen geraten würde. Das würde eine Vertuschung erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

Genau in diese Richtung haben sich seither auch die polizeilichen Untersuchungen entwickelt. Reihenweise haben die Sicherheitskräfte inzwischen islamistische Verdächtige verhaftet, die im Rahmen des Netzwerks der Libysch-Islamischen Kampfgruppe (LIFG) mit Abedi direkt oder indirekt in Kontakt gestanden haben sollen.

Derweil tut sich für die britische Bevölkerung ein bodenloser Abgrund auf, denn auch für sie wird die völlig unverständliche Zusammenarbeit der britischen Dienste mit den Terroristen und deren Unterstützung für die LIFG immer offensichtlicher. Wie konnte eine Gruppe, die nachweislich im Ausland terroristische Operationen ausgeführt hat, mit Kenntnis des britischen Sicherheitsapparats unbehelligt inmitten der friedlichen Bürger von Manchester leben?

Kopfabschneider im Dienste Ihrer Majestät

Dennoch gab es aus Sicht der britischen Geheimdienste durchaus rationale, wenn auch hochgradig kriminelle Gründe für deren Wegschauen. Denn seit Jahrzehnten hatten sich die geheimen Dienste Ihrer Britischen Majestät erfolgreich dieser islamistischen Gruppe bedient, wenn es darum ging, zwecks Regimewechsels hoch motivierte Terroristen nach Libyen und später nach Syrien zu schicken.

Ausgerechnet so kurz vor den nächsten Unterhauswahlen ist diese ganze Angelegenheit für Premierministerin May besonders peinlich und potenziell sogar katastrophal. Denn sie war in ihren letzten sechs Jahren als Innenministerin auch zuständig für die inländischen Sicherheitsorgane und musste somit über die staatliche Duldung der von Staats wegen verbotenen Terrorgruppe LIFG Bescheid gewusst haben.

Wie viel angenehmer wäre es für Frau May gewesen, hätte die Aufarbeitung des Manchester-Attentats mit der Suche nach den Motiven eines toten Einzeltäters und langen psychologischen Diskursen darüber in den Medien ihr Ende finden können. Wie sich bereits am ersten Tag nach dem Attentat andeutete, wäre das alles begleitet gewesen von ernsten Ermahnungen an die Kritiker islamistischer Umtriebe, die schreckliche Tat eines „einsamen Wolfes“ nicht zum Schüren von anti-islamischen Vorurteilen zu instrumentalisieren. Und dann wäre man schon bald zur gewohnten Tagesordnung zurückgekehrt.

Nun steht aber die Premierministerin selbst im Fokus einer Vielzahl britischer Bürger. Diese fragen sich, wie es möglich war, dass in Großbritannien wohnende Mitglieder einer verbotenen Terrororganisation problemlos in die vom Terrorismus heimgesuchten Regionen wie Libyen und Syrien aus- und von dort wieder einreisen konnten. Und das, ohne von britischen Grenzbeamten belästigt zu werden, weil sie nämlich von höherer Stelle gedeckt wurden. Kein Wunder, dass Frau May so wütend auf das Leck in den US-Geheimdiensten ist.

Terroristen als britische Hilfstruppen

Als sich britische Politiker und Sprecher des Sicherheitsapparats infolge des vom IS befohlenen oder inspirierten Anschlags in Manchester vom 25. Mai gegenüber der Öffentlichkeit so überrascht zeigten, war das pure Heuchelei. Denn der als Täter identifizierte, 22 Jahre alte, in Manchester wohnhafte Salman Abedi war den britischen Sicherheitsorganen schon lange als islamistischer Gewaltextremist bekannt.

Bis dato hatte er jedoch seine Lust am Töten Andersdenkender nur im Ausland ausgelebt, vor allem in Libyen und allem Anschein nach auch in Syrien, wo er sich in Al-Kaida- und IS-nahen Gruppierungen bewegt hatte.

Aber nicht nur Abedi oder die Tatsache, dass dieser als vielversprechender Terrorspross einer ebenso gesinnten islamistischen Familie entstammte, war den britischen Sicherheitsbehörden bekannt. Sie waren auch über die Existenz einer umtriebigen, terroristischen Gemeinschaft mitten in Manchester im Bilde.

Das hatte eine Gruppe von fünf investigativen Journalisten, die von der Tageszeitung The Telegraph auf den Fall angesetzt worden war, schon innerhalb von 24 Stunden nach dem verheerenden Bombenanschlag auf das Popkonzert in Manchester mit 22 toten Jugendlichen herausgefunden. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass die britischen Sicherheitsdienste nicht nur seit Jahrzehnten über die Terror-Gruppe Bescheid wussten, sondern auch immer wieder mit dieser zusammengearbeitet hatten, wenn es um die Durchführung von Terror-Operationen in Libyen und Syrien ging.

In dem Artikel des Telegraph heißt es:

Abedi wohnte ganz in der Nähe einer Gruppe von Anti-Gaddafi-Dissidenten, die Mitglieder der (in Großbritannien) verbotenen Libysch-Islamischen Kampfgruppe (LIFG) waren, nahe dem Viertel Whalley Range mitten in Manchester. Zu dieser Gruppe gehörte auch Abd al-Baset Azzouz, ein Vater von vier Kindern, der 2011 Manchester verlassen hatte, um ein terroristisches Netzwerk in Libyen anzuführen, das Ayman al-Zawahiri, Osama bin Ladens Nachfolger an der Spitze von Al-Kaida, betreut hatte.“

Sympathisanten bekannten sich offen zum Sammeln von Spenden für die LIFG

Zugleich habe sich der 48 Jahre alte Azzouz auch als „Experte im Bombenbauen“ hervorgetan. Bereits im Jahr 2014 berichtete The Telegraph, er sei der Anführer eines Al-Kaida-Netzwerks in Ost-Libyen, wo er 200 bis 300 so genannte Rebellen unter seiner Kontrolle habe.

Ein weiteres Mitglied der libyschen Terror-Gemeinde in Manchester, Salah Aboaoba, erklärte im Jahr 2011 gegenüber dem britischen Sender Channel 4 News ganz ohne Scheu, dass er während seiner jüngsten Ruhepause in Manchester für die LIFG Spenden gesammelt habe. Laut Aboaoba hatte er das Geld vor allem in der Didsbury-Moschee bekommen. Das ist die gleiche Moschee, die auch Abedi stets besucht hatte.

Tatsächlich ist die LIFG seit dem Jahr 2005 in Großbritannien offiziell als terroristische Gruppe verboten. Als solche steht sie auch auf der Liste der so genannten Proscribed Terrorist Groups Or Organisations auf der Website der Regierung. Dennoch konnten die Mitglieder der LIFG ziemlich ungeniert in Manchester und anderswo im Land agieren.

Auf Seite 14 dieses gerade erwähnten, immer noch gültigen Regierungsdokuments, heißt es zur LIFG explizit:

Die LIFG ist Teil der breiteren, globalen islamistisch extremistischen Bewegung, die von Al-Kaida inspiriert ist. Die LIFG versucht [Text stammt aus der Zeit vor 2011; RT], das libysche Regime durch einen harten islamischen Staat zu ersetzen. Die Gruppe hat mehrere Operationen in Libyen durchgeführt, darunter im Jahr 1996 ein Mordversuch an Muammar Gaddafi.“

Ruhiges Hinterland für terroristische Auftragstäter

Fasst man all diese Informationen zusammen, dann kommt man zu dem verblüffenden Schluss, dass

  • eine umtriebige Gemeinschaft von islamischen Terroristen,

  • die Mitglieder einer von der britischen Regierung verbotenen Terrororganisation waren,

  • mit Wissen der staatlichen Sicherheitsdienste und sicherlich auch des Innenministeriums

  • inmitten einer unwissenden und dumm gehaltenen britischen Öffentlichkeit

wachsen und gedeihen konnte.

Mitglieder dieser Gruppe konnten nachweislich ohne jegliche Eingriffe vonseiten der britischen Regierung, der Sicherheits- oder Geheimdienste regelmäßig ins Ausland reisen und an bewaffneten Konflikten und Terror-Aktionen teilnehmen. Anschließend ließen die Sicherheitsbehörden sie unbehelligt zur Erholung nach Hause zurückkehren, ohne dass sie etwa eingekerkert oder auch nur verstärkt überwacht worden wären.

Altbewährte Hilfstruppen Washingtons

Ähnlich wie in Teil II, wo es darum ging, wie britische Dienste und die Regierung die vornehmlich in Manchester ansässigen Terroristen der Libysch Islamischen Kampfgruppe (LIFG) förderten und deckten, sei nun im dritten Teil der Reihe ein Blick auf den zuvorkommenden Umgang der US-Regierung mit dieser Terrororganisation geworfen, aus der auch der mutmaßliche Selbstmordattentäter von Manchester, Salman Abedi, hervorgegangen ist.

Die LIFG ist auch den US-Sicherheitsdiensten schon lange als islamistisch-terroristische Organisation bekannt. Auch im aktuellen Dokument des US-Außenministeriums über ausländische Terrororganisationen ist die Gruppe wieder aufgeführt. Diesmal findet man die Gruppe jedoch nicht mehr unter der Rubrik, wo sie eigentlich hingehört, sondern erstaunlicherweise findet man den Eintrag über die LIFG im Kapitel über die Organisationen, die von der US-Liste der Foreign Terrorist Organizations gestrichen worden sind.

Im Jahr 2004 war die Gruppe hauptsächlich aus Libyen stammender, islamistischer Gotteskrieger zum ersten Mal vom US-Außenministerium als „verboten“ aufgelistet worden. Elf Jahre später – 2015 – hat das U.S. Department of State die Terrorbande offenbar wegen ihrer Verdienste beim Umsturz in Libyen, per Federstrich wieder für honorig erklärt und von der Terrorliste entfernt.

Terror-Globetrotter von Afghanistan bis Nordafrika

Aus einem weiteren Bericht des US-Außenministeriums aus dem Jahr 2011 wird deutlich, dass sich die LIFG-Terroristen nicht nur bei dem von den USA orchestrierten, blutigen Regimewechsel in Libyen verdient gemacht haben, sondern auch schon in Afghanistan als Terroristen für US-Interessen gekämpft hatten:

Anfang der neunziger Jahre entstand die LIFG aus einer Gruppe von Libyern, die in Afghanistan gegen die sowjetischen Streitkräfte kämpften und zugleich als Endziel den Sturz des libyschen Führers Muammar al-Gaddafi gelobt hatten. In den folgenden Jahren [nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan] behielten etliche Mitglieder ihren Anti-Gaddafi-Fokus bei und bekämpften libysche Regierungsinteressen [diplomatische Formulierung für die Durchführung von Anschlägen]. Andere Mitglieder, wie Abu al-Faraj al-Libi, haben sich an Osama bin Laden orientiert und sind vermutlich Teil der Führungsstruktur von Al-Kaida geworden. Am 3. November 2007 kündigte Al-Kaida-Chef Ayman al-Zawahiri eine formale Fusion zwischen seiner Organisation und der LIFG an. Doch am 3. Juli 2009 veröffentlichten die im Vereinigten Königreich wohnenden LIFG-Mitglieder eine Erklärung, in der jede Vereinigung mit Al-Kaida offiziell bestritten wurde.“

Weiter führt der Bericht aus, dass die LIFG seit Ende der 1990er Jahre in Libyen auf Grund der stark verbesserten Sicherheitsmaßnahmen der Regierung Gaddafi weitgehend inaktiv war. In dieser Zeit seien „viele Mitglieder nach Südwest-Asien und in europäische Länder, insbesondere nach Großbritannien geflohen“. Erst im Vorfeld der Umsetzung der britisch-französischen und US-amerikanischen Pläne zum gewaltsamen Sturz Gaddafis ist die LIFG wieder wahrnehmbar geworden.

In dem US-Bericht heißt es weiter:

Anfang 2011, im Zuge der libyschen Revolution und des Falls von Gaddafi, schufen die LIFG-Mitglieder eine weitere Organisation, die Libysch Islamische Bewegung für Veränderung (LIMC). Diese LIMC wurde zu einer der vielen Gruppen von Rebellen, die sich unter dem Dach der Oppositionsleitung vereinten und nachfolgend als ‚Übergangs-Nationalrat‘ bekannt wurden.“

McCain schüttelte die Hand des LIFG-Anführers

Zugleich hatte es der ehemalige LIFG-Anführer und LIMC-Chef Abdel Hakim Bil-Hajj in den Wirren des Aufstands mit US-Hilfe und dank seiner zumindest offiziellen Distanzierung von Al-Kaida sogar zum Militärkommandanten von Tripoli geschafft. Es folgte ein Besucherstrom prominenter US-Politiker, die sich in Libyen die Türklinge in die Hand gaben, um sich mit dem LIFG-Chef-Terroristen Bil-Hajj ablichten zu lassen. Damals gingen besonders geschmacklose Bilder um die Welt, die etwa den notorischen US-Kriegstreiber und Senator John McCain zeigten, wie dieser untermittelbar nach dem Sturz der libyschen Regierung freudestrahlend dem Bil-Hajj die Hand drückte und ihm ein Geschenk überreichte.

All das hat offensichtlich der LIFG geholfen, von der US-Terrorliste gestrichen zu werden. Diese Meinungsänderung der vermeintlichen US-Terrorexperten bezüglich der LIFG hatte offensichtlich nichts damit zu tun, dass die Gruppe etwa dem Terrorismus abgeschworen hätte. Vielmehr kämpfte die LIFG 2015 schon längst an der Seite von Al-Kaida und ISIS in Syrien, in dem nächsten Land, das Washington und London für einen Regimewechsel auserkoren hatten. Bei ihren Terror-Aktionen war sie lediglich etwas weniger brutal als ISIS. Zudem hatte sich ihr Anführer Bil-Hajj auf Drängen seiner westlichen Berater vor US-Medien öffentlich von al-Kaida distanziert.

Ende 2014 und Anfang 2015 begann sich zunehmende Kritik an den Kriegstreibern in Washington zu regen, weil ein Großteil ihrer Waffenlieferungen an die angeblich moderate Freie Syrische Armee (FSA) immer wieder in den Händen von ISIS und Al-Kaida gelandet war. Tatsächlich war der unmittelbar von den USA trainierte Personalbestand der FSA Anfang 2015 auf ganze fünf Kämpfer gefallen. Dies, obwohl man 2013 noch getönt hatte, 5.000 handverlesene, auf Verlässlichkeit geprüfte Kämpfer auf die Beine stellen zu wollen.

Homme sauvage“ verzweifelt gesucht

Verzweifelt suchten die US-Terror-Paten daher nach anderen nicht offenkundig zu ISIS und Al-Kaida gehörigen Gruppen, um ihre Waffenlieferungen an die so genannte syrische Opposition weiterhin vor der US-Öffentlichkeit rechtfertigen zu können. Mit der inzwischen auch in Syrien kämpfenden Libysch-Islamischen Kampfgruppe hatte man eine solche „gemäßigte“ Gruppe von Barbaren gefunden, die westliche Medien bereitwillig zu „edlen Wilden“ romantisierten. Und das dürfte auch das Hauptmotiv Washington gewesen sein, die LIFG-Terroristen von der US-Terrorliste zu streichen

Teil IV dieser Serie wird zeigen, wie die LIFG-Terrorgruppe, zu „moderaten Rebellen“ weiß gewaschen, nach Syrien kamen, um dort im US-amerikanischen und britischen Sinne für Demokratie, Menschenrechte und Regimewechsel zu kämpfen.

Von al-Kaida zum Arabischen Frühling

Nach dem blutigen Umsturz in Libyen im Jahr 2011 sollte der Elan, den die islamistischen Kämpfer der LIFG an den Tag gelegt hatten, möglichst auf die Kämpfe im nächsten Land übertragen werden, das sich im Regimewechsel-Visier der Anglo-Amerikaner befand, nämlich Syrien. Die Tatsache, dass durch den Sturz Gaddafis das am höchsten entwickelte Land Afrikas innerhalb kürzester Zeit in ein immer noch andauerndes, von mittelalterlichen Grausamkeiten geprägtes Chaos verwandelt worden ist, schien bei den Regierungen in London und Washington, die sonst so um Menschenrechte besorgt sind, keinen Eindruck hinterlassen zu haben.

Auch die Mainstream-Medien taten ihr Bestes, um die von Libyen nach Syrien exportierten, schwer bewaffneten Terroristen als eine „islamische Internationale“ zur Befreiung der arabischen Völker von Willkür und Diktatur darzustellen. Selbst die links-liberale Tageszeitung “The Guardian” war sich nicht zu schade, die vornehmlich in Großbritannien wohnhafte LIFG-Terrorgruppe als demokratisch geläutert darzustellen.

2011 titelte das in London erscheinende Blatt: „Die Libysch-Islamische Kampfgruppe – Von al-Kaida zum Arabischen Frühling.“ Damit tat der Guardian nichts anderes, als den terroristischen LIFG-Wolf im Schafspelz eines heroischen Kämpfers für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte zu zeigen.

Im weiteren Text des Guardian-Artikels wurde die offiziell in Großbritannien immer noch als Terror-Organisation gelistete LIFG der Öffentlichkeit tatsächlich als reformiert und geläutert präsentiert, nämlich als freundliche, gemäßigte Rebellen, die bereits seit geraumer Zeit mit dem Auslandsgeheimdienst ihrer Britischen Majestät, dem MI6, zusammenarbeiten.

Seit über 20 Jahren hätten sich „britische Nachrichten- und Sicherheitsdienste bezüglich ihrer Interessen in Libyen auf die Libysche Islamische Kampfgruppe konzentriert“.

Dieser 1990 in Ost-Libyen gegründeten LIFG werde nachgesagt, „dreimal versucht zu haben, Gaddafi zu ermorden, angeblich mit Hilfe von MI6, wofür es jedoch keine Bestätigung“ gebe, heißt es weiter in dem Artikel. Der berichtet auch, dass nach dem erfolgreichen Regierungsumsturz der libysche Rebellenkommandeur  und LIFG-Chef Abdel-Hakim Belhaj gegenüber der Zeitung erklärt habe, dass „MI6 ihn während der Kämpfe in Libyen mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen über Gaddafi versorgt“ habe.

Die Dschihadisten-Karawane zieht weiter

Der schnelle Umsturz in Libyen wurde in den westlichen Hauptstädten als großer Erfolg gewertet. Das müsste doch wiederholbar sein, spekulierten bereits westliche Medien mit gierigem Blick auf Syrien. Aber würde sich die bewährte Zusammenarbeit mit den LIFG-Terroristen auch auf das andere Ziel im Levant übertragen lassen?

Andererseits war zumindest auf die LIFG-Terroristen Verlass, die hatten für die britischen und US-Geheimdienste in Afghanistan bereits gegen die Sowjets gekämpft. Auch lebte der Großteil der Familien der LIFG-Terroristen im sicheren Großbritannien, vor allem im Raum Manchester, wohin sich auch die Kämpfer nach geschlagenen Schlachten unbehelligt zurückziehen und ausruhen konnten.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Bereits im November 2011 berichtete die britische Zeitung Telegraph unter dem Titel „Führender libyscher Islamist traf freie Syrische Armee Oppositionsgruppe“. Demnach hatte der uns bereits hinlänglich bekannte Abdel Hakim Bil-Hajj sich mit Anführern der Freien Syrischen Armee in Istanbul und an der Grenze zur Türkei getroffen.

Bil-Hajj war inzwischen mit westlicher Unterstützung zum Chef des Militärrats in der libyschen Hauptstadt Tripolis gemacht worden und hatte damit eine der höchsten Positionen in der Übergangsregierung inne. Weiter berichtete das Londoner Blatt, dass Herr Bil-Hajj von dem neuen Präsidenten Libyens nach Syrien geschickt worden sei. Interessant ist auch, dass in dem Artikel von dem islamistischen Chef-Terroristen Bil-Hajj nur als „Herr“ gesprochen wird, Herr Bil-Hajj ist also bereits zu einer Respektperson geworden.

In der Folge gab es viele weitere Treffen zwischen den libyschen und syrischen Terroristengruppen. Vom Telegraph wurden diese Zusammenkünfte als „Zeichen für eine wachsende Verbindung zwischen Libyens junger Regierung und der syrischen Opposition“ beschrieben. Im Geist der terroristischen Internationalen wurde den syrischen Aufständischen gegen Präsident Bashar al-Assad von der neuen libyschen Regierung auch Geld und Waffen angeboten. Dabei berichtete der Telegraph in einem Ton, als hätte es sich um ein Treffen von Diplomaten über ein zwischenstaatliches Abkommen gehandelt.

Weiter war vom Telegraph zu erfahren, dass auch viel „über die Entsendung libyscher Kämpfer nach Syrien diskutiert“ worden sei. Wörtlich habe Herr Bil-Hajj gesagt, dass „die triumphierenden jungen Männer in Libyen, nachdem sie gerade einen Diktator davon gejagt haben, immer noch voller revolutionärer Leidenschaft sind und danach lechzen, den nächsten zu stürzen“. Auch verschiedene „Kommandanten bewaffneter Banden, die immer noch die Straßen der libyschen Hauptstadt durchstreifen“, kamen in dem Artikel zu Wort und sprachen von „Hunderten von (libyschen) Kämpfern, die bereit sind, in Syrien Krieg gegen das Assad-Regime zu führen.“

Der Telegraph ist eine Zeitung, die den britischen Konservativen und damit der damaligen und aktuellen Regierung in London sehr nahe steht. Der gerade erwähnte Artikel ist daher besonders interessant, weil er ganz unverhohlen die Deckungsgleichheit der Ziele der LIFG-Terroristen und der britischen Regierung offenbart.

Enthusiastisch hatten auch große Teile der Weltöffentlichkeit, vor allem die Jugend in Europa und den USA, die Entwicklungen um den sogenannten Arabischen Frühling verfolgt. Zugleich war der extrem blutige, von CIA und MI6 eingefädelte, Umsturz in Libyen von den westlichen Mainstream-Medien erfolgreich als Teil dieses Frühlings propagandistisch verkauft worden. Vor diesem Hintergrund dürfte in Washington und London der Plan entstanden sein, das revolutionäre Momentum zu nutzen, um mit Hilfe der in Libyen bewährten und verdienten Terroristen den nächsten Regimewechsel in Syrien auf den Weg zu bringen.

Und schon bald kamen die ersten Erfolgsmeldungen. Bereits Ende Juli 2012 konnte der US-Nachrichtensender CNN melden: Libysche Rebellen auf den Schlachtfeldern in Syrien eingetroffen. Reißerisch beginnt der Artikel:

Ihr Krieg für die Freiheit in Libyen ist zu Ende, aber fast ein Jahr, nachdem sie den Kampf um die libysche Hauptstadt gewonnen haben, hat eine Gruppe von Kämpfern ein neues Schlachtfeld für sich gewonnen: Syrien.“

Im gleichem enthusiastischem Ton fährt der „Fake News“-Sender fort, dass unter dem Kommando eines der bekanntesten Rebellenkommandanten Libyens, Al-Mahdi al-Harati, „mehr als 30 libysche Kämpfer in Syrien eingetroffen sind, um die Rebellen der Freien Syrischen Armee in ihrem Krieg gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu unterstützen“.

Die al-Kaida-Kämpfer im Auftrag des Empire

Al-Mahdi al-Harati, geboren 1972 in Tripolis, Libyen, war schon als Jugendlicher in den bewaffneten islamistischen Sekten gegen den säkularen Staat Libyen unter Oberst Gaddafi aktiv. Anfang der 1990er Jahre wurde das Pflaster in Libyen jedoch zu heiß für islamistische Gewaltextremisten. Während die meisten seiner LIFG-Terrorkameraden in England einen Unterschlupf gefunden hatten, hatte sich Mahdi al-Harati seit 1993 in der Hauptstadt der Republik Irland eingerichtet. In Dublin hatte er eine irische Frau geheiratet und so die irische Staatsangehörigkeit bekommen. Der islamistischen Gewalt hatte er jedoch nie abgeschworen. Und damit ließ sich auch ganz gut Geld verdienen, vor allem, wenn man sich dabei als Agent für die CIA verdingt hatte, was al-Harati 2011 unter bizarren Umständen persönlich gegenüber der irischen Polizei bekannte.

Am 7. November 2011 berichtete die irische Wochenzeitung “Sunday World”, dass die Ehefrau von al-Harati mit einem Anruf von der Schule, dass eines ihrer Kinder verunglückt sei, aus dem Haus gelockt worden war. Als sie in ihre Wohnung zurückkam, war diese gründlich durchsucht und ausgeraubt worden. Die Polizei erkannte in dem Vorgehen das Muster einer bekannten Bande aus irischen Zigeunern. Gegenüber den Beamten erklärte Frau al-Harati, es seien größere Mengen von teurem Schmuck und 200.000 Euro entwendet worden.

Bei einer späteren Befragung woher das viele Geld in seinem Haus gekommen sei, gab dem Bericht der Sunday World zufolge al-Harati der erstaunten Polizei zu Protokoll, dass er vor einem Monat nach Frankreich, den Vereinigten Staaten und Katar gereist sei und dass Vertreter eines amerikanischen Geheimdienstes ihm eine beträchtliche Menge an Geld gegeben hätten, um ihn bei seinem Bemühungen, Gaddafi zu stürzen, zu unterstützen. Weiter sagte er, er habe zwei Umschläge mit Geld bei seiner Frau zurück gelassen, falls er getötet würde und den Rest des Bargeldes habe er mit nach Libyen genommen.

Was lässt sich aus all dem schließen? Es steht im Einklang mit der Tatsache, dass die US-amerikanischen und britischen Geheimdienste die islamistischen Gewaltextremisten im Nahen Ostens und Nordafrikas aktiv und direkt unterstützten. Denn durch endloses Chaos und durch Brudermord werden die einst starken und stolzen, dem Westen kritisch gegenüber stehenden, säkularen arabischen Staaten von innen ausgehöhlt.

Nach einer schrecklichen Übergangsphase – so das Kalkül – werden die dann in viele Stücke zersplitterten Staaten für die ehemaligen Kolonialmächte im Verbund mit Israel wieder leichter kontrollierbar. In diesem Sinne sollte es auch nicht lange dauern, bis al-Haratis erste Gruppe von 30 libyschen Terrorhelfern in Syrien auf Hunderte, und dann auf viele Tausende von Kämpfern angewachsen war.

Obwohl viele der ursprünglichen LIFG-Kämpfer schon bald mit anderen Terrorgruppen in Syrien verschmolzen waren, darunter mit al-Kaidas syrischem Ableger „Jabhat Al Nusra“ und auch mit ISIS, filtern diese Terroristen immer wieder mal aus Libyen oder Syrien zur Erholung zu ihren Familien in Europa zurück, so auch nach Manchester.

Mit nach Hause bringen sie nicht nur das technische Wissen und die nötige Erfahrung, um verheerende Angriffe auszuführen, sondern auch eine sehr niedrige Hemmschwelle, wenn es darum geht, auch vollkommen unschuldige Menschen brutal und rücksichtslos zu töten. Der von LIFG-Kämpfer Salman Abedis verübte Massenmord an 22 Kindern und Jugendlichen in Manchester hat das mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt.