„Heulen und Zähneknirschen“ in der Partei Die Linke

„Heulen und Zähneknirschen“ in der Partei Die Linke

von Rainer Rupp

erschienen auf apolut am 15. Oktober 2021

Der biblische Begriff „Heulen und Zähneknirschen“ ruft starke Emotionen hervor (1). Er wird im Neuen Testament insgesamt siebenmal benutzt, um zu warnen: Wenn du so weitermachst wie bisher, dann…. Der Begriff soll die Qualen beschreiben, die die von Gott dem Herrn Verdammten in der Hölle erleiden.

Von den sieben Versionen, bei denen der Begriff benutzt wird, passt das Gleichnis vom schlechten Knecht am besten auf die vernichtende Wahlniederlage der „Linkspartei“: Denn dabei geht es um den schlechten Knecht, der trinkt und seine Kollegen schlägt und der dafür büßen wird, denn er rechnet nicht damit, dass der Herr, nämlich der Wähler, nach seiner Ankunft mit ihm abrechnen und „ihn in Stücke hauen und ihm seinen Platz unter den Heuchlern zuweisen wird. Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.“ (Matthäus 24,51)

Die Linke hat an alle anderen Parteien – inklusive an die Nichtwähler – große Stimmenanteile verloren. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl haben sich die für die Linke abgegebenen Stimmen sowohl in absoluten Zahlen als auch prozentual beinahe halbiert.

Am meisten hat die Partei bei ihrer linken Kernwählerschaft verloren, denn die neue Führung wollte unbedingt in der neoliberalen und pro NATO geprägten deutschen Parteienlandschaft ankommen und auf Augenhöhe akzeptiert werden. Laut dem Nachrichtensender ARD hatte das Meinungsforschungsinstitut “Infratest dimap” noch am Wahlsonntag herausgefunden, dass die Linkspartei von allen im Bundestag vertretenen Parteien mit großem Abstand bei Arbeitern am schlechtesten (2) und bei Arbeitslosen unverändert als zweitschlechteste Partei abgeschlossen hat.

Laut Infratest haben sich bei der Wahl am 26. September arbeitende und arbeitslose Menschen, also das linke Kernpotential, vor allem für die SPD und die AfD entschieden. Demnach haben 26 Prozent der arbeitenden Klasse die SPD gewählt, 21 Prozent die AfD, 20 Prozent die Unionsparteien, 9 Prozent die FDP und immerhin noch 8 Prozent die Grünen, die damit noch bequem vor der Linken lag, die nur noch 5 Prozent der Stimmen der Arbeiter und Arbeiterinnen bekommen hatte.

Ein ähnliches Bild ergab die Wahlanalyse bei der Gruppe der Arbeitslosen unter den Wahlberechtigten, nur dass hier die Linkspartei mit 11 Prozent der Stimmen an zweitletzter Stelle vor der FDP mit 8 Prozent lag.

Eine schlimmere Bankrotterklärung für eine angeblich linke Partei kann es gar nicht geben.

Wie lässt sich das erklären?

Mit ihrer Wahl zur Bundeskanzlerin vor 16 Jahren hat Frau Merkel resoluter als alle anderen Politiker in Deutschland und in EU-Europa die neo-liberale Politik der im Weltwirtschaftsforum vereinten, globalen Eliten durchgesetzt und aus Deutschland – nach ihren eigenen Worten – „eine marktkonforme Demokratie“ gemacht. Mit den Jahren hatte sich in der Bevölkerung so zunehmend Unzufriedenheit verbreitet, denn egal welche Partei man wählte, in der jeweils neuen Koalitionsregierung bekam man – mit Merkel an der Spitze – immer dieselbe Politik.

Alle Versuche, die vielfältigen, negativen Auswirkungen dieser Politik zu mildern, scheiterten. Einige davon gingen sogar von politischen Kräften innerhalb der CDU aus. Alle wurden jedoch von Frau Merkel ex-Kathedra mit dem ewig gleichen Argument abgeschmettert: „Es gibt keine Alternative“. Für so viel neo-liberale Standfestigkeit wurde Frau Merkel von den nationalen und internationalen Finanziers und deren Presstituierten begeistert als „stärkste Frau“ Europas, ja sogar der ganzen Welt gefeiert.

Auch als sie im Jahr 2015 ihren schlimmsten Fehler machte und im politischen Alleingang die Grenzen Deutschlands für eine unkontrollierte Masseneinwanderung aus dem Orient öffnete, gab es laut Merkel keine Alternative. Auch die Folgen dieser Wahnsinnsentscheidung für das Sozial- und Bildungssystem unseres Landes, wie z.B. für bezahlbare Wohnungen für Arbeiter, kleine Angestellte und Arbeitslose sind heute überall sichtbar.

So hat Kanzlerin Merkel in ihren 16 Jahre an der Spitze Deutschlands die Substanz unseres Landes ausgehöhlt und es innenpolitisch, ökonomisch und auch außenpolitisch heruntergewirtschaftet.

Für eine konsequent linke Partei hätte es tatsächlich jede Menge Ansatzpunkte und Hebel gegeben, um das offensichtliche Versagen des politischen Einheitsbreis von CDU/CSU, SPD gemeinsam mit der Schein-Opposition von FDP und Grünen aufzudecken und sich konsequent für die Nöte und Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung einzusetzen. Die Linke hätte mehr denn je die Chance gehabt, die im Bundestag herrschende Liebedienerei gegenüber dem internationalen Kapital mit einer geradlinigen, linken Politik zu entlarven und in die Ecke zu treiben. Gestaltungskraft aus der Opposition heraus hatte das einmal bei der PDS, der ostdeutschen Vorgängerpartei der Linken geheißen. Aber der Wille dazu war längst verloren gegangen.

Allerdings hat die AfD diese Strategie mit einigem Erfolg umgesetzt, leider nur scheinbar in die linke Richtung. Dagegen wollte die „Reformer“ in der Führung der Linken nur noch an die Futtertröge einer Rot-Rot-Grünen Regierungskoalition, auch unter Aufgabe all ihrer linken Prinzipien. Das war sicher einer der Gründe für die besonders großen Verluste der Linken. Denn die „reformerische“ Parteiführung hatte bereits öffentlich ihre Bereitschaft bekundet, als Gegenleistung für eine Regierungsbeteiligung ihr friedenspolitisches Bekenntnis über Bord zu werfen und sich zur Nordatlantischen Terrororganisation (NATO) und zu Bundeswehreinsätzen im Ausland zu bekennen.

Ein weiterer Grund für den Verlust der Stimmen von sehr vielen, langjährigen und treuen Wählern der Linken waren die zunehmend unverständlichen, spalterischen Aktionen von linken Jugendorganisationen und – gruppen, die von der Partei der Linken direkt oder indirekt unterstützt werden. Diese Gruppen setzten sich u.a. mit Parolen wie „No Borders, No Nations“ für die Abschaffung der nationalen Grenzen und die unbegrenzte und unkontrollierte Zuwanderung von Migranten ein. Über die negativen Auswirkungen einer solchen Politik auf die Masse der deutschen Arbeiter und kleinen Angestellten machte sich diese Links-Jugend keine Gedanken. Dennoch wurde sie von der Parteiführung unterstützt.

Überhaupt lief die Linksjugend mit großem Eifer und begleitet vom Wohlwollen der reformerischen Parteioberen jeder neuen und modernen Idiotie hinterher, sei es „Friday for Future“ oder der Gender-Bewegung. Dabei wurde u.a. auch heftig und mit viel Aufregung um das angebliche Recht von Trans-Menschen auf eigene Toiletten in öffentlichen Gebäuden und privaten Restaurants gekämpft.

Bei solch hehren Zielen hat die Linksjugend verständlicherweise Nebensächlichkeiten wie die in unserem Land weit verbreitete Alters- und auch Kinderarmut aus dem Blick verloren. Auch die Tatsache, dass biologische Frauen in dem ach so fortschrittlichen Deutschland für die gleiche Arbeit immer noch bis zu 20 Prozent weniger Lohn bekommen, kann da leicht übersehen werden. Da ist der Kampf für die Identitätsrechte der inzwischen 53 identifizierten Gender und für das grammatikalisch korrekte Gendern in Wort und Schrift schon wichtiger.

Richtig aktiv wurde diese Linksjugend jedoch erst, als sie gegen „Rechts“ mobilisierte, zumindest, was sie in ihrer deformierten Wahrnehmung als „Rechts“ empfand. So kam es, dass Demonstranten, die gegen die staatlichen Einschränkungen unserer Freiheitsrechte unter dem Vorwand der Covid-19-Bekämpfung auf die Straße gingen, sich vor allem bei den großen Protesten in Berlin nicht nur mit massiven Polizeiaufgeboten konfrontiert sahen, sondern auch mit gewalttätigen, linken Gegendemonstranten. Dabei kam auch die links-blinkende, zu Gewalttätigkeiten neigende „antifa“ zum Zug, die sich methodisch kaum noch von faschistischen Schlägertrupps unterscheidet.

Es ist kein Wunder, dass diese Aktionen der Links-Jugend zur Unterstützung der verheerenden Merkel-Politik, im Laufe der Zeit immer mehr Linke-Wähler verprellt haben, zumal der Wahnsinn von der reformistischen Parteiführung der Linken nicht gebremst wurde.

Für alle, die sich in dem aus linken Wunschträumen gezimmertem Wolkenkuckucksheim der Parteiführung nicht niederlassen wollten, war das Wahldebakel vom 26. September vorauszusehen. Dagegen benahm sich die Führung der Linken im Wahlkampf bereits so, als ob die „rot-rot-grüne“ Koalition bereits bestehen würde, als ob die SPD bereits ihren Schmusekurs mit dem Neoliberalismus aufgegeben hätte und sozialer geworden wäre, und als ob die kriegsgeilen Grünen ihre NATO-Tarnuniformen abgelegt hätten und ihre ökologischen Träume mit der Notwendigkeit des Erhalts der Arbeitsplätze und des Industriestaates Deutschland in Einklang gebracht hätten.

Die linke Führungsriege hatte sich bereits als Teil der Regierungskoalition im Wartestand, gesehen und war bereit, dafür Grundsatzpositionen, vor allem in der NATO-Frage, aufzugeben. Und damit hat sie sich selbst überflüssig gemacht.

Als Oppositionskraft hatte die LINKE einen Gebrauchswert gehabt. Sie hat Alternativen wachgehalten und war deshalb von vielen gewählt worden. Damit aber war am  26. September Schluss. Der schlechte Knecht, bzw. die schlechte Parteiführung, die ihre besten Kollegen und Kolleginnen wie z.B. Wagenknecht geschlagen und weggebissen hat, müssen jetzt dafür büßen, denn der Herr in Gestalt des Wählers hat sie „in Stücke gehauen und ihnen ihren Platz unter den Heuchlern zugewiesen, wo sie jetzt heulen und mit den Zähnen knirschen.“

Gesamtgesellschaftlich sind die Themen der Linken heute noch drängender als zuvor und sie sind immer noch in dem nach wie vor gültigen Parteiprogramm festgeschrieben. Nun hoffen manche, dass die DIE LINKE sich erholen, bzw. sich neu erfinden könnte. Aber das wäre immer nur ein billiger Abklatsch der SPD oder der Grünen. Wenn die Linke eine Chance zum Überleben haben will, dann muss sie ihren Weg zurück zu ihren sozialpolitischen und anti-militaristischen Ursprüngen finden, zurück zu Widerspruch und zur Opposition zum totalitären Neoliberalismus, der heute den real-existierenden Kapitalismus charakterisiert. Sie müsste zurück zu Widerspruch und zur Opposition nicht nur im Parlament und in gepflegten Salons, sondern auch bei den Protesten auf den Straßen. Sie müsste zurück an die Seite der ausgebeuteten und hoffnungslosen Menschen, die vor nicht langer Zeit von einem feinen Herrn der einstigen Arbeiterpartei SPD als gemeines „Pack“ bezeichnet wurden.

In ihrer jetzigen Verfasstheit wird Die LINKE unfähig sein, diesen Weg zu gehen. Denn die Probleme der Partei sind strukturell und tief verwurzelt. Seit weit mehr als einem Jahrzehnt ist Die Linke systematisch von innen vergiftet worden, indem einerseits die Kräfte des Widerspruchs gegen die herrschende Klasse innerhalb der Partei abgekapselt und marginalisiert wurden, und andererseits spalterische Entwicklungen in hippen und modernen Verpackungen gefördert wurden, unter dem Deckmantel eines angeblich progressiven Pluralismus.

Einst war die PDS eine politische Kraft, an der zumindest im Osten niemand vorbeikam. Inzwischen ist Die Linke zu einer kraftlosen Lachnummer verkommen. Ohne die drei Direktmandate wäre diesmal Die Linke mit ihren 4.9% der Stimmen aus dem Bundestag geflogen. Aber der Zersetzungsprozess in der Linken, die nur noch dem Namen nach „sozialistisch“ ist, hatte bereits in der PDS begonnen. Eine Bestandsaufnahme dieses Prozesses, u.a. über die diesbezügliche Rolle der „anti-Deutschen“, der „antifa“ und anderer Gruppen in der LINKEN folgt in der nächsten Tagesdosis.

Quellen:

  1. https://www.bibelwerk.de/fileadmin/verein/Dokumente/Was_wir_bieten/Materialpool/Matthaeus/Mt_Heulen_und_Zaehneknirschen.pdf

  2. https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2021-09-26-BT-DE/charts/umfrage-job/chart_891978.shtml