Pläne für Wiederaufrüstung der Ukraine für nächsten Krieg gegen Russland
von Rainer Rupp
erschienen am 23. November und am 24. November 2024 auf RT
Die Niederlage der Ukraine ist nicht mehr abzuwenden. Doch bei RUSI, die Denkfabrik des britischen Militärs, werden bereits Pläne präsentiert, um die Ukraine während eines eingefrorenen Waffenstillstandes à la Nord- und Südkorea, zu einem noch mächtigeren Rammbock gegen Russland aufzurüsten.
Die alternde britische Bulldogge hat sich in den Krieg gegen Russland verbissen und will nicht loslassen. Klugerweise will die lahme Dogge mit ihren morschen Knochen im blutigen Kampf nicht mehr selbst auftreten, sondern andere in den Ring schicken.
Das RUSI (Royal United Services Institute – Königliches Institut der Vereinten Waffengattungen) ist die älteste militärische Denkfabrik der Welt. Über Jahrhunderte hinweg gab es kein koloniales Massaker bis hin zum Völkermord, an dem RUSI im Namen Ihrer Britischen Majestät nicht mit geplant hätte.
Obwohl der aktuelle US-/NATO-Stellenvertreterkrieg noch nicht vorbei ist, bietet RUSI bereits die Plattform zur Planung des nächsten Ukraine-Kriegs gegen Russland an. Das zeigt immerhin, dass die RUSI-Analysten dazu flexibel genug sind, sich zumindest teilweise aus der US-/NATO-Scheinrealität des Mantras „Die Ukraine wird gewinnen“ zu befreien.
Allerdings ruhen die Annahmen für einen, diesmal für die Ukraine erfolgreichen, zweiten Waffengang gegen Russland auf einem nicht weniger realitätsfernen Wunschdenken als im Februar 2022 zum Beginn des aktuellen Krieges, dessen katastrophale Folgen für die Ukraine unübersehbar sind. Diese werden noch jahrzehntelange Nachwirkungen für die Ukraine haben, womöglich bis zum Verlust der Staatlichkeit des Landes – ungeachtet der medienwirksamen, derzeit ablaufenden US-/NATO-ATACMS-Show.
Der nachfolgend besprochene RUSI-Artikel fordert die US-/NATO-Regierungen auf, bereits jetzt zu planen, wie man in der Ukraine einen „eingefrorenen Waffenstillstand“ im Stil von Nord- und Südkorea nutzen kann, die westliche Schrumpf-Ukraine noch stärker als zuvor aufzurüsten, um sie auch in Zukunft noch besser als Rammbock gegen Russland einzusetzen.
Unausgesprochen setzt der Artikel eine Reihe von Unwahrscheinlichkeiten als Fakten voraus: z. B., dass sich Russland, das materiell den Krieg gegen die Ukraine inzwischen längst gewonnen hat, sich überhaupt auf einen „eingefrorenen Waffenstillstand“ einlassen wird, zumal Moskau bereits weiß, wozu US/NATO diesen ausnutzen würde. Da westlichen und ukrainischen Beobachtern vor Ort zufolge der Zusammenbruch des ukrainischen Militärs nicht mehr fern ist, deutet statt auf einen „eingefrorenen Waffenstillstand“ vieles auf eine Kapitulation mit russischem Diktatfrieden hin.
Eine weitere, unwahrscheinliche Voraussetzung, auf der der von RUSI vorgestellte Plan aufbaut, ist die Frage, ob bis dahin im prowestlichen Teil der Schrumpf-Ukraine genügen wehrfähige Soldaten nachgewachsen sind, ob diese sich ein zweites Mal als westliches Kanonenfutter verheizen lassen wollen und ob ihre Familien und die Zivilgesellschaft in der westlichen Schrumpf-Ukraine diesem Kurs zustimmen.
Überhaupt fragt man sich bei der Lektüre des RUSI-Beitrags, der am 14. November 2024 auf der Webseite des Instituts erschienen ist, ob das als Satire oder als strategische Blaupause gemeint ist. Der Titel lautet: „Overcoming the Challenges of Building a Future Force for Ukraine“ (Bewältigung der Herausforderungen beim Aufbau einer zukünftigen Streitmacht für die Ukraine). Geschrieben ist das Werk von einem gewissen Andrei Sagorodnjuk, der gewiss kein Unbekannter unter den Kriegstreibern ist. Von 2019 bis 2020 war er Verteidigungsminister der Ukraine, zuvor war er Berater des ukrainischen Präsidenten Selenskij, und davor leitete er das Büro für Reformprojekte des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Aktuell ist er „Vorsitzender des Zentrums für Verteidigungsstrategien“ in Kiew. Seinen RUSI-Artikel leitet er ein mit den Worten:
„Die Beendigung des Krieges und die Schaffung eines dauerhaften Friedens in der Ukraine sind ohne praktische Maßnahmen zur Abschreckung potenzieller, zukünftiger Wellen russischer Aggression nicht möglich. Die Ausarbeitung einer wirksamen Abschreckungsstrategie stellt jedoch ihre eigenen, einzigartigen Herausforderungen.“
Als nächstes betont der Autor die Notwendigkeit einer erneuten Aufrüstung: „NATO 2.0 für die Ukraine“. Sein Leitmotiv ist: „Robuste Abschreckung gegen künftige russische Aggressionen“. Dabei unterscheidet er zwischen „Abschreckung durch Verweigerung“ und „Abschreckung durch Bestrafung“. Letzteres sei zwecklos, da Russland ja bekanntlich nicht einmal vor Millionenverluste an Soldaten, Ausrüstung und Ressourcen zurückschrecke.
Durch eine „Abschreckung durch Verweigerung“ werde dagegen sichergestellt, dass der Gegner unfähig wird, seine Ziele zu erreichen. Das kann z. B. dadurch erreicht werden, dass durch Westsanktionen Russland auf das technische Niveau eines Staates der Dritten Welt herabsinkt oder dass die Ukraine sich mit Westhilfe zu einer Hightech-Wirtschaft mit revolutionärer Militärtechnologie verwandelt, die große Mengen Waffen herstellt.
Die Lösung dieser Aufgabe heißt laut Autor Sagorodnjuk: Ein Komplettumbau des ukrainischen Militärs, flankiert von wirtschaftlicher Resilienz, sozialer Stabilität und – (Achtung Real-Satire) und Rechtsstaatlichkeit. Denn ohne diese „Säulen“ sei Frieden ohnehin nur ein kurzlebiges Intermezzo.
Die Ukraine soll laut Analyse denn auch möglichst schnell in die NATO integriert werden. Dabei wird betont, dass die Ukraine militärisch für die NATO ein „Asset“ (also eine Bereicherung) und nicht eine „Liability“ (Belastung) sei. Weiter wird argumentiert, dass die (Rest) Ukraine – um ihre militärische Aufgabe gegen Russland besser zu erfüllen – unbedingt eine vollwertige, moderne Luftwaffe mit einer ausreichenden Zahl von Flugzeugen haben müsse. Weil das für die Ukraine zu teuer käme, müsste das im Rahmen einer Kostenaufteilung von den anderen NATO-Mitgliedern getragen werden.
Zugleich lockt der Autor mit dem Zukunftsbild einer wirtschaftlichen und industriellen Wundermaschine namens Ukraine. Die Ukraine würde sich Südkorea zum Vorbild nehmen, wo wirtschaftlicher Aufschwung trotz dauerhafter militärischer Bedrohung verwirklicht wurde. Die „Vision“ des Autors: Eine stabile Wirtschaft, die langfristig in der Lage ist, eine starke Militärmaschine zu finanzieren und gleichzeitig internationale Investoren anzuziehen.
In dem RUSI-Artikel lobt der Autor die ukrainische Rüstungsindustrie in den Himmel. Im Gegensatz zu den schwerfälligen westlichen Verteidigungsindustrien sei diese „agil“, arbeite rund um die Uhr und kenne keine bürokratischen Bremsklötze. Die Ukraine könne so Kosten senken und die Produktion beschleunigen.
Zu guter Letzt kann es sich der Autor nicht verkneifen, US/NATO für die aktuellen militärischen Probleme der Ukraine verantwortlich zu machen. In einer langen Litanei listet er die Versäumnisse und die Schwächen der bisherigen NATO-Hilfen auf.
Die Niederlage der Ukraine – egal ob mit oder ohne ATACMS – ist nicht mehr abzuwenden. Doch die britische militärische Denkfabrik RUSI hat bereits Pläne präsentiert, um die Ukraine während eines eingefrorenen Waffenstillstandes zu einem noch mächtigeren Rammbock gegen Russland aufzurüsten.
Teil I endete mit der Bemerkung, dass der Autor des RUSI-Artikels, Andrei Sagorodnjuk, ehemaliger Verteidigungsminister der Ukraine von 2019 bis 2020 und ex-Berater von Selenskij, sich nicht verkneifen kann, die USA/NATO für die aktuellen militärischen Probleme der Ukraine verantwortlich zu machen. In einer langen Litanei listet er die Versäumnisse und die Schwächen der bisherigen NATO-Hilfen auf.
Die Lieferung veralteter NATO-Ausrüstung ist dabei die Nummer eins und der Dauerbrenner der ukrainischen Kritik. So habe die NATO der Ukraine antiquierte Waffen geschickt – darunter die F-16-Kampfjets mit veralteten Radarsystemen. Das Resultat: Russland beherrscht den Luftraum, während die Ukraine mit Raketen und Drohnen bombardiert wird. Ohne moderne Luftüberlegenheit sei jede Verteidigungsstrategie von Anfang an zum Scheitern verurteilt, so Autor Sagorodnjuk.
Als nächstes kritisierte er unpassende operative Einsatzmodelle, auf deren Grundlage die NATO-Instrukteure den ukrainischen Rekruten das Kriegshandwerk beigebracht hätten. Die Ukraine kämpfe nämlich unter Bedingungen, unter denen das NATO-Militär niemals kämpfen würde. NATO-Strategien beruhen nämlich typischerweise auf überwältigender Luftüberlegenheit und Langstreckenangriffen, um feindliche Streitkräfte vor dem direkten Engagement am Boden zu schwächen. Im Gegensatz dazu stehe die Ukraine den russischen Streitkräften direkt an den Frontlinien gegenüber, oft ohne ausreichende Luftunterstützung oder Langstreckenwaffen. Dadurch würde die Ukraine dazu gezwungen, dieses Missverhältnis durch erhebliche menschliche Verluste auszugleichen. Daraus leitet Sagorodnjuk die dringende Notwendigkeit eines effektiveren Einsatzmodells ab, indem USA/NATO der Ukraine mit modernen westlichen Flugzeugen helfen, die Luftüberlegenheit gegen die Russen herzustellen.
Abgesehen von den traumtänzerischen Hoffnungen auf eine ukrainische Luftüberlegenheit ist in diesem Teil von Sagorodnjuks NATO-Mängelliste vor allem dessen – sicherlich nicht absichtliches – Eingeständnis der ungeheuren Verluste der Ukraine an Menschen und Material interessant. Normalerweise werden hohe Verluste von der ukrainischen Propaganda kategorisch abgestritten, was von den US-/NATO-„Qualitätsmedien“ mantrahaft nachgebetet wird.
Das dritte Problem der Ukraine, bei dem Sagorodnjuk eine mangelnde taktische Unterstützung der NATO kritisiert, sind die russischen Gleitbomben, Langstreckenraketen und Drohnen. Hier gebe es eine große Lücke in den taktischen Fähigkeiten. Um diese zu schließen, seien fortschrittlichere Luftabwehrsysteme, Anti-Drohnen-Technologien und elektronische Luftabwehrsysteme erforderlich. Ohne diese Fähigkeiten bleibe die Ukraine den hoch entwickelten russischen Waffen ohne ausreichenden Schutz ausgesetzt. Auch hier ist interessant, dass Sagorodnjuk mit der US-/NATO-Mär von den veralteten, und zudem nicht funktionierenden russischen Waffen aufräumt, die angeblich gegen die westlichen Wunderwaffen keine Chance haben.
Abschließend widmet sich der Autor der Planung der zukünftigen Streitkräfte der Ukraine. Dazu sei prioritär erforderlich, die sich ständig verändernde Dynamik auf dem Schlachtfeld und die damit verbundenen technologischen Fortschritte rechtzeitig zu erkennen und in praktisches Handeln umzuwandeln. Die rasante Innovation in Bereichen wie unbemannten Systemen, elektronischer Kriegsführung und Computer Vision hätten bereits viele traditionelle Waffen und Doktrinen überholt, so Sagorodnjuk.
Bis hierhin hat der Autor die zu erwartenden Entwicklungen korrekt analysiert, nur um im Anschluss spektakuläre Luftschlösser zu bauen, in denen diese Entwicklungen gemeistert würden. Da heißt es z. B., um in Zukunft militärisch mithalten zu können, müsste die Ukraine einen zukunftsorientierten Ansatz verfolgen und modernste Technologien in ihre Verteidigungsstrategie integrieren. Aber wie soll das gehen? Woher kommen die neuen, revolutionären Innovationen? Woher kommt das Geld für Forschung, Entwicklung, Testen und Evaluierung neuer militärischer Systeme, bevor eins davon in die Serienproduktion geht? Wo sind die auf diese Bereiche zugeschnittenen ukrainischen Spitzeninstitute mit Top-Ingenieuren und Technikern? Ach ja, sie sind alle in Sagorodnjuks Luftschlössern angesiedelt.
Aber halt, Sagorodnjuk hat doch noch eine geniale Idee, die er dem Westen über seinen RUSI-Artikel anbietet, und hier ist sie:
Westliche militärische Beschaffungssysteme, die für Friedenszeiten konzipiert seien, hätten sich als ungeeignet für die schnellen Anforderungen der modernen Kriegsführung erwiesen. Lange Entwicklungs- und Lieferzyklen hätten die Bereitstellung kritischer Systeme verzögert, sodass einige Plattformen bereits obsolet seien, bevor sie das Schlachtfeld erreichten. Diese langsame Anpassung habe die Ukraine verwundbar gemacht und zeige die Notwendigkeit eines agileren Ansatzes bei der Verteidigungshilfe auf.
Der Weg der Ukraine zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit hänge laut Sagorodnjuk davon ab, die Mängel der bisherigen NATO-Hilfe zu beheben und ein widerstandsfähiges Verteidigungsrahmenwerk aufzubauen. Dafür bietet der Autor dem Westen an, für neue Entwicklungen die widerstandsfähige, hoch entwickelte ukrainische Rüstungsindustrie zu nutzen, denn in der Ukraine gebe es weniger administrative Hürden, um schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Durch die Nutzung der industriellen Kapazitäten der Ukraine, durch die Integration fortschrittlicher Technologien und die Angleichung an NATO-Standards könne die Ukraine eine Abschreckungskraft schaffen, die ihre Souveränität und Stabilität sicherstellt und von der auch die NATO und vor allem Europa profitiere.
In Sagorodnjuks Luftschloss ist auch die Hoffnung angesiedelt, dass westliche Rüstungskonzerne ihre fortschrittlichsten Waffenentwicklungen mit streng geheimen Technologien fertigen lassen. Diese neuesten Technologien tauschen sie in den meisten Fällen nicht einmal mit NATO-Partnern aus, sowohl aus Gründen der Geheimhaltung als auch aus Wettbewerbsbedenken.
Ebenfalls scheint Sagorodnjuk vollkommen vergessen zu haben, dass der allergrößte Teil der ukrainischen Industriekapazität östlich des Dnjepr im Donbass liegt, der inzwischen von Russland kontrolliert wird.
Und drittens scheint der Planer der Wiederbewaffnung des ukrainischen Rammbocks zu ignorieren, dass Russland auf dem Vormarsch ist und die Ukraine vor dem Zusammenbruch steht und daher Moskau an einem eingefrorenen Waffenstillstand à la Korea überhaupt nicht interessiert ist, ATACMs hin oder her! Denn auch die können am Ausgang dieses Krieges nichts mehr ändern.