USA ziehen Eskalationsspirale gegen Iran weiter an
von Rainer Rupp
erschienen am 15.Mai 2019 via RT deutsch
US-Außenminister Mike Pompeo war auf Reisen, um die Europäer auf Linie zu bringen und von den Russen ein Stillhalteabkommen zu bekommen. Trumps Sicherheitsberater sorgt für den Aufbau der Drohkulisse. Beide verbreiten das Narrativ, dass der Iran der Aggressor sei.
von Rainer Rupp
Präsident Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton hat Berichten zufolge vergangene Woche höchstpersönlich die Verlegung der vier schweren US-Bomber des Typs B-52 auf eine US-Basis im Golfstaat Katar und die Entsendung des US-Flugzeugträgers Abraham-Lincoln aus dem Mittelmeer vor die Küste des Iran geordert. Zugleich steckt er hinter der weiteren Verschärfung der US-Sanktionen durch die US-Handels- und Finanzministerien.
Am Montag wurde dann die Entsendung weiterer US-Kriegsschiffe in den Golf bekannt, die mit Anti-Raketen-Raketen vom Typ Patriot bestückt sind. Sie sollen US-Basen in der Region gegen iranische Angriffe mit ballistischen Raketen beschützen. Das Patriot-System aber hatte sich 2003 bei der Abwehr irakischer Scud-Raketen als höchst unzuverlässig erwiesen, und seine Fortentwicklung wurde seither nur unter arrangierten und nicht unter Kriegsbedingungen getestet.
Zum US-Eskalationsszenario gehört auch die von der New York Times (NYT) am Montag (14.05.19) verbreitete Nachricht, dass sich Spitzenvertreter des nationalen Kriegs- und Sicherheitsapparats in Washington zusammengesetzt haben, um einen aktualisierten, militärischen Operationsplan gegen den Iran zu beraten. Dieser sieht u. a. vor, 120.000 US-Soldaten in den Nahen Osten zu schicken, „für den Fall, dass der Iran amerikanische Streitkräfte angreifen(!) sollte oder die Arbeit an Atomwaffen beschleunigen würde“, so die New Yorker Zeitung.
Bereits bei den Vorbereitungen des US-Angriffskriegs gegen den Irak hatte die NYT eng mit den Kriegstreibern der Administration von George W. Bush zusammengearbeitet. Die US- und die Weltöffentlichkeit sollte mit dem richtigen Lügennarrativ auf das bevorstehende Gemetzel gegen die Bevölkerung im Irak eingestimmt werden. Auch diesmal tut sich das Blatt als Megaphon der Kriegstreiber hervor, anstatt das Narrativ Boltons kritisch zu hinterfragen. Unter Berufung auf US-Regierungsbeamte berichtet die Zeitung, dass die US-Demonstration militärischer Stärke im Golf nur deshalb nötig sei, um die iranischen Bedrohungen gegen US-Soldaten abzuschrecken.
Zeitgleich wirbelte der Elefant Mike Pompeo, Außenminister der USA, durch Europas politischen Porzellanladen. Erst sagte er vollkommen überraschend den von Berlin lang ersehnten Besuch in Deutschland ab, um zu offensichtlich weitaus bedeutenderen Gesprächen über den Iran ins irakische Bagdad zu fliegen. Wobei dieser demonstrative Liebesentzug des Imperators in Washington deutsche Politiker und Medien tagelang in Schockstarre versetzt hatte. Wenige Tage später wiederholte der im Stil eines römischen Prokonsuls agierende Pompus Pompeo seine Überraschungsdiplomatie.
Statt wie geplant nach Moskau zu fliegen, versuchte Pompus das Gipfeltreffen der EU-Außenminister zu stürmen, die über ihre jämmerliche bzw. nicht existente „Iran-Politik“ beraten wollten. Pompus pochte auf Einlass und wollte – quasi gleichberechtigt – mit am EU-Ministertisch sitzen und die Runde auf die US-Aggressionspolitik gegen den Iran einschwören. Wenigstens hatten die Europäer genügend Rückgrat gezeigt und ihm keinen Einlass gewährt. So musste Pompus sich am Rande des Treffens mit bilateralen Gesprächen mit den Ministern der neuerdings als großen EU-3 bezeichneten Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien zufriedengeben. Aber auch von jenen wurde er mit seinem Säbelrasseln gegen den Iran zurückgewiesen und zur Mäßigung angehalten.
Falls die Europäer standhaft bleiben und sich diesmal Politiker und Medien in der EU nicht wie sonst an den US-Kriegstreibereien beteiligen und das US-Narrativ von der Aggression des Iran mit den USA in der Opferrolle verbreiten, dann könnte es für die Falken in Washington erheblich schwer werden, der US-Öffentlichkeit einen neuen Krieg im Nahen Osten zu verkaufen. Daher ist zu erwarten, dass Washington alles tun wird, die EU-Länder mit ihrer gemeinsamen Position zum Iran zu spalten, z. B. mit Versprechungen, für die die Regierungen im Osten der EU besonders leicht empfänglich sind.
Nach der nicht erfüllten Mission zum EU-Ministerrat flog Pompus dann am Dienstag direkt ins russische Sotschi zu Gesprächen mit Wladimir Putin und dessen Außenminister Sergeij Lawrow. Ein Ziel dürfte gewesen sein, die Russen mit Gesprächsangeboten bezüglich der von Washington gekündigten Nuklearwaffenkontrollverträge, an denen Moskau sehr interessiert ist, zu locken und zu einem Stillhalteabkommen bezüglich des Iran zu überreden. Aber auch in Moskau weiß man schon lange, was Abkommen mit den USA wert sind. Das gilt besonders für mündlich gegebene Zusagen, wie z.B. das vor dem Abzug der Roten Armee aus Osteuropa gegebene, hochheilige Versprechen, dass nämlich die US/NATO niemals in die osteuropäischen Staaten und erst recht nicht in die ehemaligen Sowjetrepubliken expandieren würden.
Ansonsten gab sich Pompeo nach außen recht friedfertig und spielte Washingtons neues Narrativ ab, wonach die USA nur den Frieden wollten, dass Aggressionen und Terrorangriffe im Nahen Osten aber von dem unberechenbaren Mullah-Regime in Teheran ausgehen würden. Die USA hätten kein Interesse an einem Krieg mit dem Iran, sagte Pompeo in Sotschi, wobei er offenbar vergisst, dass nach internationalem Recht Washington mit seinen einseitigen, unerbittlichen Sanktionsmaßnahmen schon längst Krieg gegen den Iran führt. „Wir wollen, dass sich der Iran wie ein normales Land verhält“, sagte Pompeo, was natürlich heißt, dass sich Teheran den US-Forderungen beugen muss. „Wenn aber amerikanische Interessen angegriffen würden, dann würden sich die USA wehren“, so Pompeo, der damit die USA als bedrohtes, unschuldiges Opfer darstellt.
Und auf den – angeblich – „ersten Angriff des Iran“ auf US-Interessen und US-Verbündete brauchte man nicht lange zu warten. Wie auf Bestellung hat es vergangenen Sonntag den ersten großen „iranischen“ Terror bzw. Sabotageangriff im Golf gegeben. Dabei sind mehrere saudi-arabische Öltanker im Hafen von Fudschaira in den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Golf unweit von der Straße von Hormus, in Brand geraten. In der angespannten politischen Großwetterlage wurde sogleich ein Sabotageakt vermutet, zumal tags zuvor die USA noch gewarnt hatten, dass der Iran oder seine Helfer in der Region Handelsschiffe angreifen könnten. Ein Schurke, wer Böses dabei denkt.
Damit war es so sicher wie das „Amen“ in der Kirche, dass es nicht lange dauern würde, bis der Iran als Schuldiger für den Brand im Hafen von Fudschaira verantwortlich gemacht würde. Bereits einen Tag nach dem Vorfall berichtete das Wall Street Journal (WSJ), unter Berufung auf einen anonymen US-Regierungsbeamten, dass nach einer ersten US-Einschätzung mit großer Wahrscheinlichkeit „der Iran hinter dem Angriff“ auf die beiden saudi-arabischen Öltanker und zwei weitere Schiffe stecke. Interessanterweise halten sich die europäischen Regierungen und Medien vorerst mit dieser eindeutigen Schuldzuweisung an den Iran zurück.
Laut dem WSJ machte der US-Beamte, der namentlich nicht identifiziert werden wollte, keine Angaben darüber, was zu der Bewertung, dass es der Iran war, geführt habe, oder welche möglichen US-Reaktionen auf den Vorfall zu erwarten seien. Die Folgen hatte US-Außenminister Mike Pompeo in einer Warnung an den Iran zwei Tage vor dem Brand der Öltanker bereits deutlich gemacht. In einer Erklärung schrieb er:
„Das Regime in Teheran sollte wissen, dass Angriffe gegen US-Interessen oder Bürger von ihm selbst oder von seinen Handlangern, egal, wie sie heißen, mit einer schnellen und entscheidenden US-Reaktion beantwortet werden.“ Zugleich kritisierte er Teheran wegen dessen angeblicher „Eskalation einer Reihe von bedrohlichen Handlungen und Erklärungen in den letzten Wochen“ und drohte dann damit, dass der Iran die US-amerikanische „Zurückhaltung“ (das meinte er nicht als Witz) nicht mit einem „Mangel an Entschlossenheit“ verwechseln sollte.
Womöglich wird der Brand der Öltanker in Fudschaira als „Golf von Tonkin“-ähnliche, „falsche Flagge“ im Persischen Golf in die Geschichtsbücher eingehen. Um die Äußerungen des Ex-CIA-Chefs Pompeo richtig einzuordnen, sei daran erinnert, dass er jüngst vor Universitätsstudenten grinsend damit prahlte, ein Meister im Lügen, Betrügen und Stehlen zu sein (siehe YouTube hier). Tatsächlich hatte die Erklärung Pompeos geradezu ein Skript für einen Angriff unter falscher Flagge geliefert.
Ähnlich wie in Syrien, als die US-Kriegstreiber gewarnt hatten, dass bei einem Chemiewaffenangriff automatisch Präsident Assad schuldig war, so ist nun im Golf jeglicher Angriff gegen US-Interesse und Verbündete die Schuld Teherans. Pompeo hat damit nichts anderes getan, als alle Parteien, die an einem US-Krieg gegen den Iran interessiert sind, zu einer Operation unter „falscher Flagge“ aufzufordern.
Wenn wir nun in das Kalkül einbeziehen, dass Berichten zufolge die Warnungen vor geplanten Angriffen angeblichen iranischen Terroristen oder deren Handlanger, die bei den US-Geheimdiensten eingegangen waren, vom israelischen Geheimdienst gekommen sind, dann lässt sich hier ein Zusammenspiel erkennen. Denn in der durchgesickerten israelischen „Geheimdienstinformation“ hieß es laut Asia Times, dass sich die „iranische Bedrohung nicht explizit gegen die USA richte, sondern vor allem einen Angriff auf die erdölexportierenden Verbündeten Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate beinhalten könnte“.
Und genau das ist dann am vergangenen Sonntag auch passiert: Ein Angriff auf saudi-arabische und andere Schiffe in einem Hafen der Vereinigten Arabischen Emirate. Ein anti-semitischer Schurke, wer dabei Böses denkt.
Das war mal wieder eine hervorragende Leistung der israelischen Geheimdienste, deren Regierung an nichts mehr interessiert ist als an einem Krieg der USA gegen den Iran. Welches Interesse Teheran daran haben könnte, ausgerechnet in der angespannten Lage mit Sabotageanschlägen im Golf den US-Kriegstreibern in die Hände zu spielen, darüber hüllen sich die Israelis in Schweigen.