Amerikas „vergessener Krieg“

Amerikas „vergessener Krieg“

von Rainer Rupp

erschienen am 3.August 2018 via KenFM


Berichte über die alltäglichen Massaker an Frauen, Kindern und verdächtigen „Taliban“ durch US-Bomber und von Drohnen abgeschossene Raketen in Afghanistan sind seit einigen Jahren so gut wie vollständig aus den Mainstream Nachrichten verschwunden. Erst in den letzten Tagen richtet sich die Aufmerksamkeit wieder auf den Hindukusch, dieses Mal mit einer schockierenden Wendung für den Militärisch-Industriellen-Komplex der USA. Nach dem nun über 17 Jahre andauernden Krieg verhandeln die USA mit den Taliban.

Es sieht tatsächlich so aus, als ob sich US-Präsident Trump dank seiner Beharrlichkeit nach und nach gegen den „Tiefen Staat“ der Kriegstreiber aus den beiden großen Parteien mit seinen Plänen durchsetzt, letztendlich alle im Ausland stationierten Truppen, von Afghanistan über Irak und Afrika nach Hause zurückzuholen. Wie der politische Beobachter Daniel McAdams auf der Webseite des ehemaligen US-Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Ron Paul, am 31. Juli erklärte, trafen sich Vertreter des US-Außenministeriums vergangene Woche mit Vertretern der Taliban in Doha, in der Hauptstadt des Golf-Staates Katar. Gemäß der Forderung der Taliban wurde die von den USA unterstützte afghanische Marionettenregierung nicht eingeladen. In Katar diskutierten die Vertreter beider Seiten über einen Waffenstillstand und das Ende des Krieges.

Ein Ende des Krieges wird es aber erst geben, wenn die Amerikaner die Kernforderung der Taliban erfüllt haben, nämlich alle US-Truppen aus dem Land abzuziehen. Schon in der Vergangenheit hat es vielfach Bemühungen Washingtons gegeben, mit den Taliban ins Gespräch zu kommen. Vergeblich, denn die US-Regierungen haben stets die Diskussion über einen vollständigen Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan als „nicht verhandelbar“ abgelehnt. Ohne diesen Kernpunkt der Taliban kamen die USA und die Taliban nie über eine bloße Kontaktaufnahme hinaus. Diesmal ist es anders.

Auch die britische Nachrichtenagentur Reuters wusste vergangenen Sonntag von erfolgreichen Gesprächen in Katar unter dem Titel „Sehr positive Signale nach US-Taliban Gesprächen“ zu berichten. Laut Reuters fand das Treffen zwischen hochrangigen US-Diplomaten unter Führung der stellvertretenden Außenministerin für Süd- und Zentralasien Alice Wells und Vertretern der Taliban in einem Hotel in Doha statt. Das Wall Street Journal berichtet als erste Zeitung darüber, aber offiziell wurde das Treffen von US-Seite noch nicht bestätigt. Das Blatt zitiert einen Vertreter der Taliban, der sagte, er sei Teil einer vierköpfigen Delegation, und dass es „sehr positive Signale“ von dem Treffen gebe.

Weiter habe der Vertreter der Taliban gesagt, dass das Treffen in einer „freundlichen Atmosphäre“ stattgefunden habe und weitere geplant seien. Das aber kann nur bedeuten, dass die US-Seite auf die Kernbedingungen der Taliban (Diskussion des vollständigen Abzugs) eingegangen ist und somit anerkennt, dass sie den Krieg in Afghanistan verloren hat. Böse Zungen behaupten, dass in zukünftigen Treffen darüber verhandelt wird, welchen Anteil die CIA an den afghanischen Mohnfeldern und am Opiumhandel behalten dürfen.

Tatsächlich dürfte es der US-Seite aber hauptsächlich darum gehen, eine mit den Taliban abgestimmte Geschichte zu finden, die der „siegreichen“ US-Armee unter Wahrung ihres Gesichts den Abzug erlauben würde. Ob dies auf Anhieb gelingt ist fraglich, zumal viele Kreise in Washington den Konflikt am Laufen halten wollen. Die Komplexität der Angelegenheit und die Gefahr, einem Mäzen auf die Füße zu treten, könnte der Grund dafür sein, dass die westlichen Mainstreammedien mit großer Mehrheit noch nichts von dem sensationellen Treffen in Doha berichtet haben.

Auch in Deutschland haben viele Politiker und ihre Presstituierten das Volk mit Sprüchen wie „Deutschlands Freiheit wird am Hindukusch verteidigt“ betrogen, um sich so dem Hegemon in Washington anzudienen. Diese Leute sollten für den hohen Blutzoll deutscher Soldaten und afghanischer Kämpfer und Zivilisten, die für diesen Irrsinn willkürlich geopfert wurden, zur Verantwortung gezogen werden.

In Washington hat derweil der US-Generalinspekteur, der für die Überprüfung der US-Ausgaben für den Wiederaufbau Afghanistans verantwortlich ist, berichtet, dass die USA seit 2008 mindestens 15,5 Milliarden US-Dollar verschwendet haben, ohne dass dafür irgendetwas Konkretes vorgezeigt werden konnte. Zugleich bekräftigte er seinen Verdacht, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Diese Nachricht hat viele Kommentare über den Wahnsinn des Afghanistan-Krieges und die sinnlose Verschwendung von Leben und Geld nach sich gezogen. Das kommt jedoch ganz auf den Standpunkt an.

Aus der Sicht der Mitglieder des „Tiefen Staates“ und der Aktionäre des militärisch-industriellen Komplexes sind die vom Pentagon verschwendeten Hunderte von Milliarden Dollar keineswegs sinnlos verbraten, sondern auf den Bankkonten der Kriegsgewinnler gut angelegt worden. Karrieren wurden gemacht, Offiziere wurden zu Generälen befördert und private „Sicherheitsdienstleister“ und Berater wurden fett. Aus der Sicht dieser Leute ist kein Krieg „sinnlos“, sondern ein lukratives Geschäft mit dem Tod anderer Menschen.